Zur Johannisnacht 1407 im Lütticher Land
(Esclarmonde:) Ich wünschte mir, du gäbst dich mir ganz in dieser Nacht.
Das Feuer lodert, wild dröhnt der Tanz in dieser Nacht.
Tanz – und sei mir nah,
führ mich dorthin, wo ich niemals war
in dieser Nacht, mit Haut und Haar.
Ich wünschte mir, daß etwas uns bleibt von dieser Nacht,
sich etwas in die Herzen uns schreibt von dieser Nacht.
Tanz – irgendwohin
wo ich mit dir ganz zusammen bin
in dieser Nacht, tief in uns drin.
(Mathis:) Wen kümmert’s, wer wir sind und woher wir kamen?
Ich habe keine Heimat und keinen Namen.
Ich gebe kein Versprechen und keinen Trost.
Fortuna hat mich Satan zugelost.
(Esclarmonde:) Ach, daß du lebtest, daß du heut mich liebst!
Daß meine Wärme heut auch dich erfass‘!
Doch ist die Glut, die dir vom Leben blieb,
eiskalt von bittrem Gram und Hass.
(Mathis:) Die Pfade, die ich gehe, geh‘ ich allein,
im Kreis um jenen Ort der letzten Pein.
Ist auch ein Wort, draus Rettung uns ersteht:
Für mich gibt’s keinen Psalm und kein Gebet.
(Esclarmonde:) Ich spreche es nicht aus, was meine Wünsche sind.
Denn Wünsche, die man spricht, vergehen allzu bald.
Ich tanze, und du tanzt, das Heute gibt uns Halt.
Jenseits des Feuers ist das Dunkel blind.
Ich bin der Geist, der stets verneint.
Glaub nicht, ich hätt‘ dich nicht erhört.
Was man wünscht, ist das, worum man weint.
In dieser Nacht hast du mein Reich berührt.
Mein ist das Leben, das um Leben ficht.
Mein ist der Glaube, der zu bald zerbricht.
Mein ist die Wonne, für die man bezahlt.
Mein ist die Reue und der Verzicht...
Von mir empfange, was du ersehnst in dieser Nacht.
Bedenke: was dein eigen du wähnst, schuf meine Macht.
Halte dich bereit – zahl den Zoll der Seligkeit
für diese Nacht voll Glut und Leid.
Die Flammen lodern weit – Ach, wer glaubt an Ewigkeit
in dieser Nacht, jenseits der Zeit?
Crystal 27.12.2004