Drei Korsaren

Für die drei Playmobil-Piraten, die meine Brüder und ich einst waren

Nach so vielen Jahren trafen sie sich wieder,
der rote, der schwarze und der blaue Korsar,
in ausgebleichten Mänteln, ihre Schiffe auf der Reede,
ihre rostigen Musketen waren schon lange nicht mehr feuerbereit.
Sie saßen um den Tisch, nippten an ihrem Rum,
der schwarze sagte: „Keine Ahnung, warum wir hierher kommen sollten,
ich war schon lange nicht mehr auf See, ich bin ausgebrannt und müde.“

„Ich auch“, sagte der rote.
„Es ist eine gleichgültige Nacht wie jede andere,
keine Segel werden gesetzt, die Winde sind schlecht
und unser Mythos ist, wie unsere Mannschaft, schon lange aus den Tavernen verschwunden.“
Der blaue stimmte zu: „Ich weiß, wie es euch geht,
dieses seltsame Gefühl, nicht real zu sein,
nicht so recht zu existieren,
zu warten und auf eine Stimme zu lauschen,
die mich vielleicht wieder zu neuen Abenteuern und Schlachten ruft.“

Aber es gibt keinen Weg zurück durch die Meere der Zeit,
und keine Spur blieb von denen zurück, die
vom Maul der Seeschlange mit den einhundert Namen verschluckt wurden;
einer davon: Vernunft, ein anderer:
der Kurs, dem der Mensch folgen muss.

Der schwarze sann: „Wisst ihr, meine Träume sind merkwürdig.
Immer starrt mich diese Frau an
die an einem Tisch am Fenster in einem Haus weit im Landesinnern sitzt,
dennoch kenne ich sie und weiß: sie erinnert sich an den Ozean.“
Der rote nickte: „Ich habe nachts seltsame Visionen,
von einem großen Theater, hell erleuchtet und voller Menschen,
und im Orchestergraben spielt der Kontrabassist
perfekt, routiniert, aber bar jeden Gefühls.“

„Auch ich träume“, gestand der blaue,
„von einem Mann, der auch an einem solchen Tisch sitzt
und Geld zählt, das niemals sein eigenes ist,
in einer inlandigen, mit Menschen vollgestopften Stadt, wo der Fluss seicht ist.
Auch ich spüre eine Verbindung zu diesem meereslosen Buchhalter,
und manchmal ist es, als blitzte in seinen Augen ein Funke auf
wie eine Flagge – ein Schiff – etwas, das mehr ist als diese Fahrt
von Anfang bis Ende auf diesem Kurs, dem der Mensch folgen muss.“

Nun, es gibt keinen Weg zurück durch die Meere der Zeit,
aber manchmal hat die Seeschlange Mitleid
mit denen, die von den Gezeiten der Jahre fortgespült wurden,
und lässt sie ihre Erinnerungen
auf ihrer Reise voller Sorgen behalten.

Crystal 13.05.2011

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