1.) Heute Nacht ist ein Fest in den Mauern,
eine erhitzte, unruhige Menge
trinkt, isst, tanzt zu schnell,
lacht viel zu laut.
Aber ihr Grölen vermag nicht die Stimme zu übertönen
die aus der Tiefe singt,
und mit jedem tröpfelnden, klingenden Ton
spürt man die Anspannung wachsen.
Das Gesicht des Barons - verzerrt,
das Lächeln der Lady - eine Maske,
und um sie her ein Hauch von Zweifel,
aber keiner wagt zu fragen.
Süßes, süßes Gift, tröstende Melodien,
zärtliche Vorwürfe, lockende Träumereien,
unbarmherzige Schönheit, Erinnerungen
an vorschnell gewonnene Gunst
erzittern in jedem Herz
während die Nacht voranschreitet.
2.) Schlanke Hände und schlankes Gesicht,
blassgraue Augen, weit auseinander stehend -
dieser sanfte Mann hat noch niemals
ein Gefängnis von innen gesehen.
Mit Gesang besiegelte er sein Schicksal,
also singt er, damit alle es hören,
er singt, um zu atmen und sich lebendig zu fühlen,
er singt, um gegen die Furcht anzukämpfen.
Die Liebe der Lady, unerbeten,
der Zorn des Barons, unverdient,
die letzte Mahlzeit auf dem Boden, unberührt,
die letzte Kerze, beinahe heruntergebrannt.
* * *
3.) Verwoben mit einem Mondstrahl,
wie ein Versprechen, feenhaft und schön,
sich durch die Fenster hineinstehlend
mit den ersten grauen Fäden des Tages,
durch die Gänge treibend
und die Gedanken jener, die weinen,
mit den Träumen derer tanzend,
die einen unruhigen Schlaf fanden.
Die ganze Nacht klingt wieder vor Trauer
um eine Liebe, die einmal war,
Lord und Lady, verloren in verletzenden Spielen,
und den Dritten, der dazwischen geriet.
Süßes, süßes Gift, tröstende Melodien,
zärtliche Vorwürfe, lockende Träumereien,
unbarmherzige Schönheit, Erinnerungen
an sogleich verlorene Gunst
hallen noch immer durch leere Säle
nachdem der Barde gegangen ist.
Eva, 1. Oktober 2003
Elfhelm der Harfner, Mai 1080