"Wanderer, kommst du nach Sparta, verkündige dorten, du habest uns hier liegen sehen, wie das Gesetz es befahl."
Setz dich ans Feuer, Leonidas, mein Freund.
Wir haben hier schon so viele Male gebetet.
Außerhalb des Tempels ist das Tageslicht fast vergangen,
und die Götter wissen: wir werden es nur noch ein Mal sehen.
Drunten auf der Agora hört man Hornsignale
und das Lachen von Kindern, die noch beim Spielen sind,
und irgendwo weint eine Frau, als gäbe es Grund zu klagen.
Aber es gibt nur das Gesetz, und wir werden gehorchen.
Die Dunkelheit kriecht näher, und mit ihr Stille,
und du sitzt mit so tief gebeugtem Haupt.
Da ist nichts von der Jugend in deinem Gesicht,
die dort war, so lange ich mich erinnere.
Doch deine Schönheit, Leonidas, kam nie von Jugend,
sondern von Mut, Treue und Fürsorge,
und du bist jetzt schön wie das Bild eines Gottes
und ich glaube an dich, ob in Ruhm oder Verzweiflung.
Und schließlich flüsterst du: Müssen wir wirklich diesen Weg gehen,
müssen wir untergehen, wie ich es bestimmt habe?
Muss ich den Pfad betreten, der hinauf und hinweg führt
und darauf vertrauen, dass sie meiner Führung folgen werden?
Ich habe das Gemetzel gesehen, den Verrat,
ich habe die Knochen langsam auf dem Feld bleichen sehen.
Doch uns bleibt nichts als unser Gesetz und unsere Gebete,
und ein Feind, dem wir uns nicht ergeben können.
Ich bin rastlos und voller Zweifel, ich fühle mich wie ein Narr
als ich dir sage: alle Menschen müssen sterben,
der Tod kann ebenso sehr glorreich wie grausam sein,
denn wir werden wie Götter in den Himmel steigen.
Zum letzten Mal, Leonidas, nehme ich deine Hand,
die Hand eines Mannes, der andere zu führen versteht,
und ich sage: Ich werde dafür sorgen, dass man sich an uns erinnert,
ich werde dafür sorgen, so gut ich kann.
So, Fremder, kommst du je in den Staat
namens Sparta, wo wir einst lebten,
dann erzähle dort: wir sind nicht mehr, fern von hier ereilte uns unser Schicksal,
im Kampf, wie wir es am Vorabend erbaten.
Entschlossen und furchtlos brachte Leonidas, mein Freund
sein Opfer, so dass andere verschont würden.
Wie es in unserem Gesetz geschrieben steht: das glorreichste Ende
ist dasjenige eines Menschen, der sich um andere sorgte.
Crystal 03/08/06