Der Jäger

Man sagt, dass im Walde, im nächtlichen Dunkel,

Ein Jäger geheimnisvoll schreite.

Geräuschlos sein Gang, gestaltloser Schatten,

Der die Pfade der Menschen vermeide.

So hüt' dich! hab acht! es raunen die Blätter

In Kronen und düst'rem Verhau.

Es zirpen die Vögel: Es ist nirgends sicher:

Er ist hier! Er ist übel und schlau.

Was ist er, was sucht er, woher ist er gekommen,

was bringt er, das Unheil verspricht?

Ist er Geist, ist er Tier, ist er menschliches Wesen?

Keiner kennt sein Gesicht...

So hüt' dich! hab acht! so sagte die Mutter

Zu ihr, als sie ausging allein.

Sie ging wie ein Vogel über Blumen und Blätter

Leichten Schritts in die Wälder hinein.

Und sie fragte ins Dunkel: Was jagst du alleine,

Was streifst du umher ohne Ruh, Nacht für Nacht?

Ich weiß nichts vom Dunkel, bin jung, ich bin sicher;

Ich lebe im Licht, das mir heiter bis heute gelacht.

Und als sie so sprach, mit wandernden Blicken

Erkennt sie im Dämmer den Schemen einer Gestalt.

Still wie ein Reh steht sie zwischen den Zweigen,

und vor ihr der Jäger, der finstere Jäger im Wald.

In den Augen ein grimmiges Sehnen,

Die Züge von Hunger entstellt,

Es trifft wie ein Pfeil sie im Herzen,

Es trifft sie das Dunkel der Welt...

Und sie ging in den Wald, in die Schatten hinein

Leichten Schritts, wie ein Vogel so licht.

Sie erblickte die Schatten, den Hunger, das Leid,

Und alles, was Flügel zerbricht.

Und man sagt, dass im Wald, im nächtlichen Dunkel

Noch immer der Jäger erscheint.

Und man sagt: was ist Freude? was Jugend? was Leben

Vor dem Blick, der zerstört und verneint.

Crystal 02.08.2001