Morgen fächelt leise in den Bäumen,
Sterne schwinden überm Strom so breit.
Sie ruht versteckt, verlor'n in fahlen Träumen,
das Frühlicht hüllt sie in sein Schattenkleid.
Schon haucht der Herbst sie an mit seiner Kühle,
sie zieht die Glieder eng an ihre Brust,
taucht ein in lang erstorbene Gefühle
in Funkelaugen und in Krallenspiele,
in Zärtlichkeit und Lust.
Er war Geist der dunkelsten Gefilde,
König, dem der Wald zu Willen war,
Rätsel voller Grausamkeit und Milde
das ihr das Herz zerriss und neu gebar –
Amur,
halt sie nur fest umfangen
und wiege ihre kleine Seele ein
sie ist dein Kind in Wildheit und Verlangen
und gnadenlosem Sein.
Abend senkt sich über die Gestade,
Lichter sät das Dunkel überm Wald.
Doch die trägen Düfte sind ihr fade,
sie horcht in sich hinein und fühlt sich alt.
So lang ist sie verwaist, ihr Herz verloren
durch Sommer irrend, Angst nur ihr Begleiter.
In Schneisen dröhnen ab und an Motoren,
sie meidet sie und wandert weiter
und ahnt mit einem Mal, dass sie vergebens jagt
nach jenem Du, in dem sie Ganzheit fand
und das nach jenem Knall am Ufer lag
– Motorgedröhn, es roch verbrannt –
und spürt, dass sie verzagt.
*
Sie wird nun auf den letzten Winter harren
am Wasser, wo man leichte Beute macht,
wird endlich bis ins Innerste erstarren
und sich dem Strome schenken und der Nacht.
Amur,
umfließe deine Schöne
und nimm sie auf in deine Einsamkeit
und füg hinzu dem Maß von Schuld und Sühne
diesen Augenblick in uferloser Zeit.
Crystal 19.07.2012